Die Baumwollproduktion Afrikas findet zu einem großen Teil durch Kleinbauern im Sahel statt. Diese Region ist durch große politische Instabilität und teilweise durch das Vordringen islamistischer Kräfte gekennzeichnet. In dem nachfolgenden Interview mit einem leitenden Mitarbeiter der kamerunischen Baumwollgesellschaft Sodecoton, der ungenannt bleiben möchte, wird deutlich, welchen enormen Beitrag die Baumwollproduktion für die Stabilisierung der Gesellschaften im Sahel aber auch für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln hat.

Interview mit NN, leitender Mitarbeiter von Sodocoton

Rolle der Baumwollgesellschaft Sodecoton im Norden Kameruns

Frage:  in den drei nördlichen Departments von Kamerun leben 4,9 Mio Menschen. Das macht 18 % der Bevölkerung Kameruns aus. Diese drei Departments und insbesondere der Extreme Norden sind die Gebiete, in denen die Armut in Kamerun am weitesten verbreitet ist. 46 % aller Armen Kameruns leben im Norden. Welche Rolle spielt Sodecoton im Norden Kameruns.

Antwort: Sodecoton hat 200.000 Baumwollbauern unter Vertrag. Zusammen mit ca. 7 Familienangehörigen sind das 1,4 Mio Menschen, die u.a. direkt von der Baumwolle leben. Das sind knapp 30 % der Bevölkerung im Norden Kameruns. Sodecoton liefert diesen Bauern Saatgut, Düngemitteln und Agrarchemikalien auf Kredit. Bei der Baumwollernte wird dann der ausgeliehene Kreditbetrag von dem Verkaufserlös der Bauern einbehalten. Sodecoton ist damit de facto das größte Mikrofinanzierunginstitut Kameruns und zahlt den Bauern pro Saison im Durchschnitt netto 84 Mio Euro für die Baumwolle aus. Die bei Sodecoton unter Vertrag stehenden Bauern erhalten zudem eine ausführliche landwirtschaftliche Beratung durch Sodecoton. Dazu beschäftigt Sodecoton insgesamt 250 landwirtschaftliche Berater. Sodecoton produziert zurzeit (2022) 350.000 Tonnen Saatbaumwolle und 22 Mio. Liter Baumwollöl, ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Damit trägt Sodecoton 14% zum landwirtschaftlichen Bruttonationalprodukts und 6% zu den Exporterlösen Kameruns bei.

Frage: Sodecoton ist überwiegend eine parastaatliche Gesellschaft. 80 % der Anteile werden vom Staat Kamerun, 20 % vom Verband der Baumwollbauern (CNPC) gehalten. Als Staatsunternehmen hat Sodecoton ein Mandat, das über die Förderung des Baumwollanbaus hinaus geht. Was sind die weiteren Aufgaben von Sodecoton.

Antwort: Zunächst einmal unterhalten wir 200.000 km ländliche Pisten, die so für den Abtransport der Baumwolle aber auch für andere Zwecke genutzt werden können. Außerdem unterhält Sodecoton eine breit angelegte Agrarforschung. Dabei geht es um Methoden zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung (Verminderung des Pestizideinsatzes), Verbesserung des Saatgutes etc. Zu erwähnen ist auch, dass Sodecoton stark in der funktionellen Alphabetisierung tätig ist. Die Bauern lernen dort bezogen auf die täglichen Anforderungen in der Landwirtschaft lesen und schreiben.  Nicht zuletzt hat Sodecoton auch das Mandat neben der Baumwollkultur auch den Anbau von anderen Feldfrüchten zu fördern. So liefert Sodecoton auch Düngemittel für die den Anbau der Nahrungsmittel Soya, Mais und Sorghum, die im Fruchtwechsel mit der Baumwolle angebaut werden. In der letzten Saison hat Sodecoton dafür 9 Mio Euro bereitgestellt. 

Insofern trägt Sodecoton doppelt zur Nahrungsmittelsicherheit im Norden Kameruns bei: Einmal durch die Erlöse aus dem Baumwollanbau wie auch durch die direkte Förderung des Nahrungsmittelanbaus.

Frage: Welche Rolle spielt die Frauenförderung für Sodecoton?

Antwort: Von den 200.000 BaumwollbäuerInnen sind 24.000 Frauen, die in 1650 Gruppen gegenseitiger Haftung zusammengeschlossen sind, die gegenüber Sodecoton für die Rückzahlung der Input-kredite haften. Außerdem hat Sodecoton die Gründung und den Betrieb von 70 Frauengenossenschaften mit unterstützt. Diese sind im Gemüseanbau, der Kleintierzucht und im Handel tätig und leisten insofern einen wichtigen zusätzlichen Beitrag zum Familieneinkommen und zur Nahrungsmittelsicherung

Frage: Der extreme Norden Kameruns hat in den letzten Jahren stark unter den islamistischen Terroristen von Boko Haram gelitten. Diese waren auch in den Baumwollgebieten von Sodecoton tätig. Wie ist Sodecoton mit dieser Situation umgegangen?

Antwort: Zunächst einmal ist der Spuk vorbei. Die kamerunischen Armee hat die Terroristen weitestgehend vertrieben. Es gibt nur noch einige wenige Zellen. Während der Hochzeiten von Boko Haram hat Sodecoton seine Tätigkeit in den betroffenen Gebieten dennoch fortgesetzt, d.h. Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel an die Bauern geliefert und Baumwolle aufgekauft. Zeitweise konnten die Berater von Sodecoton nicht mehr in einzelne Dörfer. Dann haben die betroffenen Bauerngruppen die Baumwolle in den Nachbardörfern abgeliefert. Insgesamt hat Boko Haram aber die Tätigkeit von Sodecton toleriert, da sie die Haupteinkommensquelle der Bauern nicht angreifen wollten. Die Tatsache, dass Sodecoton seine Tätigkeit auch zu Hochzeiten von Boko Haram fortgesetzt hat, hat sicher dazu beigetragen, dass die islamistischen Terroristen in den Dörfern nicht mehr Anhänger gefunden haben,

Frage: Ein Konflikt, der den ganzen Sahel durch zieht,  ist der Streit zwischen Viehzüchtern und sesshaften Bauern um Land. In Kamerun sind die Viehzüchter zudem ausschließlich Moslems, während die Baumwollbauern überwiegend Christen sind. Teilweise führt dieser Konflikt zur Radikalisierung der Viehzüchter, die sich dann in islamistischen Terrorgruppen wiederfinden. Wie geht Sodecoton mit diesem Konflikt um?

Antwort: Sodecoton unterstützt schon seit vielen Jahren gemeinsame Komitees von Bauern und Viehzüchtern, die zum Ziel haben, die Landnutzung in den betroffenen Gebieten gemeinsam zu regeln. Obwohl es da auch immer Konflikte gibt, funktioniert dies relativ gut.

Frage: Sodecoton ist nach dem Cotton in Africa (CmiA) Standard zertifiziert. Welche Vorteile hat diese Zertifizierung für Sodecoton gebracht. Was wünschen Sie sich zukünftig von den Zertifizierungsstandards?

Antwort: Die Zertifizierung hat dazu geführt, dass wir unseren ganzen Produktionsprozess bis hin zu den Entkörnungsanlagen auf die Einhaltung bestimmter ökologischer und sozialer Mindeststandards ausgerichtet haben. Teilweise hatten wir diese Kriterien schon eingehalten, teilweise mussten wir nachbessern. Die CmiA-Zertifizierung hat uns außerdem einen Vorteil bei der internationalen Vermarktung unserer Baumwolle gebracht. Unserer Baumwolle wird im Wesentlichen über Auktionen verkauft. Da hat man einen Vorteil, wenn die Baumwolle nachhaltig zertifiziert ist.

Wir wünschen uns von Baumwoll- Nachhaltigkeitsstandards wie CmiA und BCI, dass sie noch deutlich stärker die Aktivitäten von Sodecoton unterstützen, die darauf zielen, die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Bauern nachhaltig zu verbessern. So könnten wir mit mehr Personal, die Zahl der in Kooperativen organisierten BäuerInnen deutlich erhöhen und deren Betreuung verbessern. Sodecoton und der Bauernverband CNPC weitet zudem in Kooperation mit MUFID das bereits existierende Netz von 6 Genossenschaftsbanken in den Baumwollanbaugebieten aus. Es sollen mindestens weitere 6 Genossenschaftsbanken gegründet werden. Mit diesen Banken stellt Sodecoton schrittweise die gesamten Zahlungen an die Bauern auf ein bargeldloses System um. Das bringt für die Bauern nicht nur mehr Sicherheit, es ermöglicht den Bauern auch, Zugang zu Kredit außerhalb der Baumwollwertschöpfungskette, so dass z.B. der Anbau von Nahrungsmitteln noch besser gefördert werden kann. Für die Gründung jeder einzelnen neuen Genossenschaftsbank braucht es allerdings ein gewisses Grundkapital. Nachhaltigkeitsstandards könnten dabei helfen, dieses Gründungskapital zu mobilisieren.  Die Bedeutung, die die Genossenschaftsbanken für die Baumwollbauern haben, wird auch darin deutlich, dass der Verband der Baumwollbauern CNPC einen Sitz im Aufsichtsrat der Dachorganisation der Genossenschaftsbanken hat.

Außerdem haben Sodeocton und CNPC sehr gute Erfahrung mit dem sogenannten Farmer Business Training (FBS) gemacht. Dabei lernen die Bauern in 5 sehr interaktiven 5 Tages Kursen ihr Unternehmen und ihren Haushalt als Business zu begreifen, die Wahl der angebauten Feldfrüchte und der eingekauften Inputs zu optimieren. Diese FBS-Trainings waren in der Vergangenheit sehr erfolgreich. Mit Unterstützung der Nachhaltigkeitsstandards könnten wir dieses FBS-Training wieder im großen Umfang aufnehmen. Fazit: Wir danken für dieses Gespräch. Wir haben gelernt, welche zentrale Rolle Sodecoton bei der Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung im ganzen Norden Kameruns zukommt. Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, in welch vergleichsweise geringem Umfang internationale Geber die Zusammenarbeit mit Sodecoton suchen.

Autor

  • Roger Peltzer

    70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und bald 4 Enkel. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.

Der Beitrag der Baumwolle zur Stabilisierung einer Region

Roger Peltzer


70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und bald 4 Enkel. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.


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