Am 24.1. hat Friedrich Merz in der Körber Stiftung in Hamburg im Rahmen des Global Leader Forums eine Grundsatzrede zu seinen außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Vorstellungen gehalten. Bemerkenswert war, dass auch er – wie die Vorgängerregierungen – der Zusammenarbeit mit Afrika eine große Bedeutung zumisst. Die dann folgenden Ausführungen und Antworten lassen allerdings erhebliche Zweifel aufkommen, ob der „große“ strategische Wurf von Merz wirklich bis zum Ende durchdacht ist.

Die Migrationsfrage

So fordert Merz, dass Deutschland in Zukunft nur noch den Ländern in Afrika Mittel des Entwicklungszusammenarbeit zukommen lassen sollte, die sich bereit erklären würden, in großen Umfang Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Merz scheint anzunehmen, dass Deutschland da mit seiner EZ ein großes Druckmittel in der Hand hätte. Tatsächlich ist es aber so, dass heute fast alle Länder in Afrika Alternativen zur Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU haben. Da bieten sich nicht nur die Chinesen, sondern auch die Türkei, Brasilien, Indien, die Golfstaaten und manchmal auch Rußland an. Für die afrikanischen Regierungen ist die Flüchtlingsproblematik durchgängig ein europäisches Problem. Sie fühlen sich nicht betroffen bzw. bekommen ggf. mit ihren eigenen Wählern ein Problem, wenn sie in dieser Frage zu sehr auf Europa zugehen. Mit seiner Strategie des „Friss oder Stirb“ riskiert Merz, dass Deutschland sich am Ende mit bestenfalls einer Handvoll von Kooperationspartnern in Afrika wieder findet. D.h. nicht, dass man mit afrikanischen Ländern nicht über Abkommen zu Eingrenzung der illegalen und zur Förderung der legalen Migration verhandeln könnte. Die EU und die Bundesregierung tun dies ja mit einem gewissen Erfolg. Aber um in dieser Frage überhaupt Erfolg zu haben, bedarf es viel Diplomatie und insbesondere einer Herangehensweise, die die Interessen der Afrikaner respektiert und ernst nimmt. Sonst wird es weder gelingen, die illegale Migration aus Afrika einzugrenzen noch zukunftsfähige Beziehungen zu Afrika aufrecht zu erhalten und auszubauen.

Kooperation mit Staaten statt mit AU und Regionalorganisationen

Sehr problematisch ist auch, dass Merz andeutet, stärker auf die Zusammenarbeit mit einzelnen Staaten und weniger auf die Förderung der AU und der afrikanischen Regionalorganisationen setzen zu wollen. Die Zusammenarbeit mit AU und Regionalorganisationen war ja schon unter Merkel ein Markenzeichen deutscher Afrikapolitik. Nun sind die AU und Regionalorganisationen weit davon entfernt, perfekt zu operieren. Aber welche Alternative zur Zusammenarbeit gibt es denn mit Blick auf die vielen politischen Krisen, Konflikte und Kriege in Afrika? Wer anders als die Afrikaner selbst, sollen denn in erster Linie die Konflikte politisch bearbeiten und eingrenzen? Dazu braucht Afrika eine starke AU und starke Regionalorganisationen. Und wie anders als über starke Freihandels- und Währungskooperationen will man denn dauerhaft Wirtschaftswachstum in Afrika generieren. Friedrich Merz ist ein überzeugter Europäer. Er würde sich mit Sicherheit eine Politik z.B. der USA verbitten, die darauf hinausläuft, statt mit der EU nur noch mit einzelnen europäischen Ländern zu reden. Stellt sich diese Problematik in Afrika anders dar, Herr Merz?

Lieferbindung eine gute Idee?

Dann fordert Merz auch, dass deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft weitgehend nur noch mit deutschen (er meint vermutlichen europäischen Lieferungen – anders geht es nach Europarecht gar nicht) umgesetzt werden soll. Ist das mit Bezug auf ein Land, das so in die Weltwirtschaft integriert ist wie Deutschland klug? Schon jetzt lässt die Hermes Versicherung deutscher Exporte zu, dass bis zu 40 % der Lieferungen auch aus anderen Ländern kommen können. Anders lassen sich viele komplexe Vorhaben, wo die Teile aus aller Welt kommen, gar nicht mehr realisieren. Und wenn deutsche Unternehmen, sich in der ländlichen Elektrifizierung Afrikas engagieren – was sie tun – werden sie nun Mal auch auf chinesische Solarpanels zurückgreifen müssen. Die sind – nicht alle – qualitativ hochwertig und preisgünstig. Deutsche Unternehmen profitieren als Lieferanten seit Jahr und Tag stark von der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Warum soll man das mit bilateralen Autarkiebestrebungen in Frage stellen?

Regulierung der Lieferketten: ein Instrument der Risikoabsicherung

Und dann möchte Herr Merz, wie er in dem Vortrag ausführte, auch sofort das deutsche Lieferkettengesetz abschaffen. Das würde angeblich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen beeinträchtigen. Tatsächlich ist es genau andersherum.

Es gibt prominente deutsche Familienunternehmen, die viel Lehrgeld bezahlt haben, weil sie bei ihren Investitionen in Afrika vor vielen Jahren nicht die Sorgfaltspflichten beachtet haben, die heute das Lieferkettengesetz zwingend vorschreibt. Sie schlagen sich z.T. noch heute mit Millionen schweren Entschädigungsklagen herum. Das Lieferkettengesetz bringt im Kern – bürokratische Vereinfachungen sind sicher denkbar und möglich – Unternehmen dazu, sich systematische mit den verschiedenen Risiken ihrer Investitionen und ihrer Lieferkette auseinandersetzen. Das ist letztlich ein gute Investition und vermindert Risiken. Und das sehen ja auch viele engagierte Unternehmen so. Und wenn sich jetzt Unternehmen dafür interessieren, wie die Baumwolle in Afrika angebaut wird, die sie in ihrer Kleidung verwenden, dann leisten sie nicht zuletzt auch einen Beitrag zur Stabilisierung der Krisen geschüttelten Sahel Region, aus der der Großteil der afrikanischen Baumwolle kommt.

Fazit: Merz springt mit seinem strategischen Ansatz zunächst weit und in die richtige Richtung. Er stürzt dann aber mitten im Sprung ab, weil er sich in den angekündigten Taten nicht von Weitsicht, sondern von populistischen Stimmungen leiten lässt.

Titelbild: Wahlkampf-Event mit Friedrich Merz (CDU) in Erfurt 2024, Fotograf, Steffen Prößdorf; Quelle: Wikipedia

Autor

  • 70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und 4 Enkelkinder. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.

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Friedrich Merz und die Afrikapolitik einer Bundesregierung unter seiner Führung

Roger Peltzer


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