Das AA hat kürzlich seine afrikapoltischen Leitlinien veröffentlicht. Roger Peltzer kommentiert, dass die Leitlinien weitgehend den aktuellen Stand der politischen Diskussion zu Afrika reflektieren. Allerdings würde man sich wünschen, dass das Verhältnis zu China, dem größten Wettbewerber in Afrika, ausführlicher angesprochen worden wäre.

Gut formuliert, differenziert in der Analyse und Politikempfehlung, setzen die neuen afrikapolitischen Leitlinien des AA Maßstäbe auch für die kommende Bundesregierung.

Durchaus aufbauend auf der Afrikapolitik der Merkelregierung setzt Annalena Baerbock darauf, dass Deutschland und die EU in zunehmenden Systemwettbewerb gerade auch gegenüber der politisch aktiv werdenden Jugend des Kontinents mit demokratischen Werten Punkte machen können. Gleichwohl wird die Zusammenarbeit mit Regierungen, die nicht die europäischen Werte teilen, nicht ausgeschlossen, wenn es um Fragen des Klimaschutzes oder der Sicherheit geht.

Der ganzheitliche Ansatz des Papieres, der Fragen der Vermeidung von Kriegs- und Konfliktursachen, des Klimaschutzes, der Förderung von Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft, der Globalen Governance und der Sicherheitspolitik ebenso umfasst wie die klassische Entwicklungspolitik zeigt, dass die in Deutschland auch in de NRO-Szene noch verbreitete Denke in Ressortlogiken (z.B. BMZ versus AA) völlig überholt und den aktuellen Herausforderungen nicht mehr ansatzweise gewachsen ist.

In den Leitlinien wird nicht nur der Völkermord an den Herero und Nama in Namibia erstmals als solcher vom AA benannt, es wird auch die drängende Frage der Erleichterung der Vergabe von Visa angesprochen, die eine unabdingbare Voraussetzung für einen partnerschaftlichen Dialog auf Augenhöhe mit unseren afrikanischen Partnern ist.

Mit Blick auf die Wirtschaftskooperation weisen die Leitlinien mit Recht darauf hin, dass Deutschland zusammen mit der EU (Stichwort Global Gateway Initiative) ein breites Instrumentarium zur Förderungen von Privatinvestitionen von deutschen und europäischen und insbesondere aber auch von lokalen Unternehmen bereitstellt. Die wichtige Rolle der afrikanischen Diaspora in Deutschland für die Entwicklung ihrer Heimatländer wird ausdrücklich erwähnt.

Wo gibt es Diskussions- und Weiterentwicklungsbedarf?

Die Leitlinien fordern zu Recht, dass illegale Migration eingeschränkt und legale Migration ausgebaut werden soll. Mit den Migrationszentren der GIZ verfügt Deutschland auch bereits über Instrumente für die Umsetzung einer solchen Politik. Allerdings ist die Förderung legaler Migration nicht ohne Fallstricke. Zwar ist es so, dass es in Afrika eine große Zahl von Jugendlichen mit Schul- und Universitätsabschluss gibt, die keine Chance haben, auf dem lokalen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, die ihrer Ausbildung entspricht. Das Bild ändert sich aber schlagartig, wenn es um Fachkräfte mit 3,4 Jahren Berufserfahrung. Da gibt es oft eine Mangelsituation nicht zuletzt durch Abwerbeprogramme wie die des kanadischen Staates Quebec, die im frankophonen Afrika zur Zeit von privaten Firmen und staatlichen Institutionen viele gerade mühsam ausgebildete Fachkräfte abziehen. Deutschland wird deshalb in erster Linie jungen Leute mit Schul- und Uniabschluss aufnehmen und hier aus- und weiterbilden müssen, wenn es den Brain Drain nicht befördern will. Gleichzeitig muss die Ausbildung in Afrika für die lokalen Märkte gefördert werden, was aber auch prominent in den Leitlinien angesprochen wird.

Und dann gibt es einen Elephanten im Raum, der in dem Papier nur insofern indirekt angesprochen wird als ausgeführt wird, dass sich Deutschland dem Systemwettbewerb stellen muss. Tatsächlich ist China der maßgebliche Wettbewerber, wenn es um wirtschaftlichen und politischen Einfluss, aber auch wenn es um unsere Werte geht. Auf der anderen Seite trägt China – bei aller Kritik an einzelnen Aktivitäten – ganz maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas bei. Keine afrikanische Regierung wird deshalb davon abgehen, jetzt und in der Zukunft die Zusammenarbeit mit allen sich anbietenden Partnern zu suchen, ob EU, China, Indien, Türkei, Brasilien etc. Deshalb wäre es ausgesprochen sinnvoll, wenn die EU und Deutschland in Afrika im Verhältnis zu China einen Handlungsmodus finden würden, der Elemente des Wettbewerbs und der Kooperation mit China gleichermaßen umfasst. Bei den Verhandlungen über Umschuldungsabkommen geschieht dies schon teilweise. Aber man wird auch bei der Elektrifizierung ländlicher Räume In Afrika um chinesische Solarpanels und andere innovative Produkte nicht herumkommen. Ebenso wird China beim Infrastrukturausbau in Afrika auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Da bietet sich eine verstärkte Kooperation mit deutschen Ingenieurfirmen geradezu an. Gleiches gilt beim Ausbau des Pharmasektors im Hinblick auf indische Firmen. In dieser Frage sollten die Leitlinien von einer neuen Bundesregierung nachgeschärft werden. Insgesamt stellen die afrikapolitischen Leitlinien des AA aber eine sehr gute Grundlage für das künftige Regierungshandeln dar.

Titelbild: Treffen der NATO in der Sitzung der Außenminister mit Seiner Majestät dem König von Jordanien – 3. Dezember 2024, Brüssel; Von links nach rechts: Hakan Fidan (Außenminister, Türkei) mit Annalena Baerbock (Außenministerin, Deutschland) und Xavier Bettel (Außenminister, Luxemburg); URL: https://flic.kr/p/2qxYfni (Letzter Zugriff: 24.01.2025)

Autor

  • 70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und 4 Enkelkinder. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.

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Die neuen afrikapolitischen Leitlinien des Auswärtigen Amtes: Ein durchweg überzeugendes Strategiepapier für den Umgang mit unserem Nachbarkontinent

Roger Peltzer


[wpml-string context="pb-bioinfo" name="info-1"]70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und 4 Enkelkinder. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.[/wpml-string]


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