Roger Peltzer kommentiert die Ergebnisse des 5. German African Business Summit vom 3. Dezember 2024 in Nairobi: Wie kann Deutschland über Investitionen seiner Unternehmen hinaus in Afrika systematisch die wirtschaftliche Entwicklung unterstützten?
Deutschland (und Europa/ die USA) müssen sich im Wettbewerb um Märkte und politischen Einfluss in Afrika immer stärker mit China, Indien, Brasilien, Türkei etc. und z.T. auch Russlands auseinandersetzen, die deutlich an Einflussgewonnen haben. Diese Entwicklung ist unausweislich und der relative Einfluss des Westens in Afrika wird in Zukunft eher weiter sinken. Dennoch agieren Deutchland und die EU in Afrika zurzeit mit Blick auf China, was den Umfang der wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit angeht, noch auf Augenhöhe. Insofern stellt sich die Frage, wie die aktuelle Wettbewerbsposition Deutschlands in Afrika trotz eines relativen Bedeutungsverlustes zum Nutzen beider Partner gehalten oder ggf. auch ausgebaut werden kann.
Der deutsch-afrikanische Wirtschaftsgipfel in Nairobi war aus Sicht der Veranstalter eine Antwort auf diese Frage. Liest man die Statements auf und im Umfeld des Gipfels, drängt sich der Eindruck auf, dass insbesondere verstärkte Investitionen deutscher Unternehmen „ im Kontinent der Chancen“als Mittel der Wahl gelten, um die afrikanischen Partner n ihrer Entwicklung zu unterstützen und den deutschen Einfluss auszubauen.
So lobens- und unterstützenswert deutsche Investitionen in Afrika sind, de facto spielen sie in fast allen afrikanischen Ländern eine völlig untergeordnete Rolle, sieht man von Tunesien und Südafrika ab. Im wirtschaftlich drittstärksten Land Afrika, Nigeria, gibt es wenige Dutzend Unternehmen mit einer deutschen Kapitalbeteiligung, in der Ukraine sind es trotz Kriegszustand über 2000. Deutsche Unternehmen sind – von Ausnahmen abgesehen – international nicht in den Sektoren stark, in denen Afrika die meisten Investitionschancen bietet, wie Landwirtschaft, Erschließung von Rohstoffen, Textilindustrie etc. Da, wo die deutsche Industrie stark ist, im Automobilbau, im Maschinenbau, in der Chemie bietet Afrika nun mal sehr wenig Investitionsmöglichkeiten. Hinzu kommen die Entfernung und die kulturelle Distanz. Da geht ein deutscher Mittelständler doch lieber nach Polen, in die Slowakei oder jetzt auch verstärkt in die Ukraine.
Nun tut Deutschland Einiges, um Investitionen und Kooperation deutscher Unternehmen in und mit Afrika zu unterstützen. Das soll natürlich beibehalten werden. Darüber hinaus ist aber zu überlegen, wie Deutschland auch jenseits des klassischen Mittels der deutschen Direktinvestition zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrika beitragen und damit auch als Partner für Afrika interessant bleiben kann. Dazu einige Überlegungen, die noch kein Gesamtkonzept ergeben, zu einem solchen aber einige Puzzleteile beisteuern können:
- Die wirtschaftlich Dynamik Afrikas wird wesentlich durch kleineren und mittlere einheimische Unternehmen getragen. Diese werden durch lokale Geschäftsbanken und Mikrofinanzierungsinstitute oder auch Fonds finanziert, die auch mit Hilfe deutscher/europäischer Entwicklungsbanken aufgebaut worden sind. Die Unterstützung leistungsfähiger Finanzsektoren in den afrikanischen Länder sollte ein wichtiges Ziel deutscher und europäischer Kooperation mit Afrika bleiben, wobei in dieser Hinsicht schon viel erreicht worden ist. Die zukünftige Kooperation sollte auf die stärkere Erschließung lokaler Refinanzierungsressourcen in Afrika durch die Entwicklung lokaler Kapitalmärkte, den Zugang zu den Einlagen von Pensionsfonds abstellen. Hier kann die deutsche Zusammenarbeit mit Expertise, Garantien und First Loss Tranchen substantiell unterstützen. Grundsätzlich sollten deutsche Finanzierungsinstrumente so ausgelegt sein, dass auch lokale Investoren und Partnerunternehmen aus dem Globalen Süden davon profitieren können.
- Deutschland beherbergt eine große Community von Menschen, die aus Afrika kommen. Nicht wenige von Ihnen, die in Deutschland ihren Weg gemacht haben, beginnen in ihren Heimatländern zu investieren. Das sind i.d.R. noch keine sehr großen Investitionen, aber es gibt viel Wachstumspotential. Bezeichnend ist, dass z.B. die deutsche-kamerunische Wirtschaftsvereinigung in Douala/Kamerun fast ausschließlich aus Mitgliedern besteht, die in Deutschland studiert haben, die vielfach einen deutschen Pass haben und jetzt beginnen, in Kamerun zu investieren. Die deutsche EZ (GIZ) aber auch der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft haben schon einige Initiativen auf den Weg gebracht, um dieses „Diaspora-Unternehmer“ zu fördern. Das kann ausgebaut werden.
- Deutsche Unternehmen und deutsche Unternehmer werden in Afrika nicht nur in der Form direkter Investitionen oder Lieferungen tätig. So gibt es Dreieckskombination wie z.B. im Textilsektor, wo deutsche Unternehmen wie Tchibo oder Otto Textilunternehmen in Afrika umfängliche Abnahmeverträge und technische Assistenz anbieten, vorausgesetzt sie produzieren ihre Textilien auf Basis nachhaltig zertifizierter lokaler Baumwolle. Diese Kooperationen waren in der Vergangenheit zwar nicht immer von Erfolg geprägt, weil der Aufbau einer eigenen Textilindustrie das Durchlaufen einer steilen Lernkurve voraussetzt, die nicht von allen gemeistert wird. Dennoch bieten solche Dreieckskombinationen viel Potential. Ein anderes Beispiel dafür ist ein deutscher Unternehmer, der zunächst mit einem gemeinnützigen Verein in Uganda einen erfolgreichen Verleih für Elektrofahrräder und Lastenräder aufgebaut hat. Diese Räder kommen aus Indien, einiges technische Know aus den Niederlanden. Nun läuft das Geschäft so erfolgreich, dass überlegt wird, in einem ersten Schritt die Montage dieser Räder nach Uganda zu verlegen. Weitere Schritte in der Wertschöpfungskette können folgen.
- Das develoPP Programm von DEG und GIZ – gespeist aus dem BMZ Titel für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft – hat sich als ein ausgesprochen flexibles und niedrigschwelliger Instrument erwiesen, um innovative Unternehmenskonzepte, Ausbildungs- und Trainingszentren, nachhaltige Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen aus Europa und aus den Partnerländer auf den Weg zu bringen. Diese Projekte sind zwar bezogen auf die wirtschaftlichen Herausforderungen Afrikas relativ klein – das Volumen des develoPP Programms beträgt ca. 20 Mio. Euro pro Jahre -, haben aber oft eine beispielhafte Pilotfunktion. Dieses Programm verdient es unbedingt in bisherigen Umfang fortgeführt zu werden, zumal es eben auch Privatkapital mobilisiert.
- Mit dem Sektorvorhaben Pharmaindustrie leistet die deutsche EZ einen substantiellen Beitrag zum voranschreitenden Aufbau einer einheimischen Pharmaindustrie in Afrika. Bei den Investoren handelt es sich weitgehend um lokale Unternehmer oder auch Unternehmen aus Indien. Deutsche Unternehmen sind da mit Ausnahme von Biontech in Ruanda, nicht dabei, liefern aber Maschinen und Know How. Die Beratungsrolle der GIZ
zieltzielt dabei auf die Verbesserung der Regulierung für Investoren, die Ermöglichung des Zugangs lokaler Hersteller zu den großen Ausschreibungen internationaler Fonds wie GAVI, die Bereitstellung technischer Expertise etc. Hier leistet die deutsche EZ mit begrenzten Mitteln in einem strategischen Sektor viel für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. - In Afrika gibt es bedeutende länderübergreifende privatwirtschaftliche Akteure, mit denen die deutsche EZ (DEG und GIZ) immer wieder in Einzelfällen kooperieren. Dazu gehören z.B. die Aga Kahn Gruppe, die mittlerweile in Afrika ein bedeutender Akteur in der Energieerzeugung geworden sind, nachdem sie zuvor schon lange in der verarbeitenden Industrie in West- und Ostafrika tätig waren. Ein anderer Akteur ist die Olam Gruppe, von Indern geführt und in Singapur an der Börse notiert. Sie sind quer durch Afrika im Landwirtschaftssektor engagiert, u.a. bei Cashew Nüssen, Kakao Kaffee, Baumwolle, Palmöl etc. und mittlerweile auch sehr eindeutig den Zielen einer sozial und ökologisch nachhaltigen Produktion verpflichtet. Mit solchen Akteuren könnte und sollte die deutsche Afrikapolitik in einem regelmäßig tagenden Konsultationsforen den strategischen Austausch über geplante Investitionen, mögliche deutsche Ko-Finanzierungen aber auch über Nachhaltigkeitsfragen, wie denen nach der Garantie eines „living income“ für Kleinbauern, suchen. Zu überlegen ist auch, inwieweit die DEG in ausgewählten Einzelfällen von ihrer Politik abweichen kann, Beteiligungen nach einigen Jahren wieder zu verkaufen. Bei einigen strategischen Partnern könnten auch längerfristige Beteiligungen sinnvoll sein, vorausgesetzt, sie sind profitabel.
- Wenn es um die Rolle von China geht, starren viele Beteiligte in Deutschland so wie das Kaninchen auf die Schlage. Natürlich ist China Systemkonkurrent. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass China z.B. die Infrastruktur Afrikas in den letzten Jahrzehnten deutlich vorangebracht haben. Wenn die deutschen Teilnehmer der Wirtschaftskonferenz in Nairobi auf dem Weg zum Flughafen nicht mehr in endlosen Staus stecken, dann ist dies eben auch chinesischen Infrastrukturinvestitionen zu verdanken. So sehr Deutschland mit China im wirtschaftlichen und politischen Wettbewerb steht – von dem viele afrikanische Länder im Übrigen profitieren -, so sehr schließt das natürlich Kooperationen nicht aus. China liefert nun mal einfach zu gebrauchende Handy, Solaranlagen, landwirtschaftliches Gerät etc. zu unschlagbar günstigen Konditionen. Und dies machen sich deutsche Investoren, die in Afrika in dezentrale Netze der Stromversorgung investieren, schon jetzt zu Nutze. Anstatt in Abwehrreflexen zu verharren (Ausschluss von chinesischen Lieferanten bei Lieferung für deutsche EZ-Vorhaben), sollte offensiver Kooperationsmöglichkeiten mit chinesischen Unternehmen in Afrika gesucht werden. Das gilt über natürlich auch für die Kooperation mit indischen, türkischen oder brasilianischen Investoren.
- Ein Grundproblem deutscher Afrikapolitik ist der laufende Wechsel der Zuständigen in Ministerien, Durchführungsorganisationen und anderen Institutionen. Die afrikanischen Partner in Regierungsbehörden aber auch privaten Unternehmen müssen sich i.d.R. immer wieder mit neuen Personen auf der Gegenseite auseinandersetzen. Das ist ein großen Hindernis für einen partnerschaftlichen Dialog und für die Bildung von Vertrauen. Hier sollte stärker darauf geachtet werden, wie zumindest in bestimmten Schlüsselfunktionen auf deutscher Seite mehr Kontinuität sichergestellt werden.
Fazit: In die großen Leitlinien ihrer Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Afrika ist Deutschland seit Jahren ziemlich gut aufgestellt. Auf der Umsetzungsebene können bestehende Formen der Zusammenarbeit strategisch besser eingeordnet und gezielter ausgebaut werden. Darüber könnte zumindest in der Fachöffentlichkeit stärker diskutiert werden.
Titelbild: Mitarbeiter eines Instituts für Insektenforschung an einer Webmaschine, KfW-Bildarchiv / photothek.net, Dezember 2011, URL: https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Newsroom/Pressematerial/Grafiken-und-Bilder/Bildarchiv/Bildarchiv.html?doi=kfw-dam-13539 (letzter Abruf: 11.12.2024)