Im Oktober stehen in Kamerun Präsidentschaftswahlen an. Der amtierende 93jährige Präsident strebt ein achtes Mandat an. Roger Peltzer analysiert, warum seine Chance bröckeln und dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Machtbasis von Paul Biya bröckelt.

Seit 1982 ist der heute 92jährige Paul Biya Präsident von Kamerun, nachdem er zuvor schon 7 Jahre Ministerpräsident war.  Jetzt stehen am 12 Oktober erneut Präsidentschaftswahlen an. Und Paul Biya will für eine 8. Mandat antreten, so hat es der Secretaire General des Präsidentenamtes Ferdinand Ngoh Ngoh vor wenigen Tagen verkündet..

Ob es so kommt, scheint aber unsicherer denn ja. Paul Biya lässt sich schon seit Jahren praktisch nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen.  Personen, die die Entourage des Präsidenten kennen, behaupten, dass das Land de facto von seiner Frau Chantal und  Ferdinand Ngoh Ngoh geführt wird. Die Beiden – Beti aus derselben Präfektur in Zentralkmamerun – hätten weitgehende Handlungsvollmacht.

Machtbasis von Biya gerät ins Wanken

Aber die Machbasis von Paul Biya beginnt zu bröckeln. Traditionell stützte Paul Biya seine Macht über Jahrzehnte auf ein Bündnis zwischen seinen in Zentral- und Südkamerun lebenden Beti und den muslimischen und auch christlichen Eliten Nordkameruns. Diese hielten zusammen, um gegenüber den geschäftstüchtigen Bamilike im Westen Kameruns, die die Wirtschaft dominieren – ein politisches Gegengewicht zu bilden.

Aber jetzt scheint der Norden als Unterstützer für Paul Biya wegzubrechen. Zwei seiner aus dem Norden stammenden Minister, Issa Bakary Tchirouma (Arbeits- und Ausbildungsministerium) und Bello Bouba Maigari (Staatsminister und für Tourismus zuständig) sind Ende Juni von ihren Ämtern zurückgetreten. Ihre Begründung: das Land versinke im Stillstand, seit 7 Jahren hätte der Ministerrat – der sich unter Leitung des Präsidenten trifft – nicht in einmal getagt. Viele Minister hätte Paul Biya als Minister nie persönlich zu Gesicht bekommen. Tchiirouma und Bouba vertreten die Parteien FSNC und UNDP, die seit langem mit der regierenden RPDC verbündet waren. Jetzt wollen sie selbst für das Präsidentenamt kandidieren.

Es sind aber nicht nur die beiden Minister, beide Moslems, die Alarm schlagen, auch alle 3 aus dem Norden stammenden Erzbischöfe der katholischen Kirche kritisieren Biya scharf und fordern einen Wechsel, ebenso neuerdings Funktionäre der Regierungspartei RPDC im Norden. Das ist auch nicht verwunderlich, ist die Infrastruktur im Norden doch besonders heruntergekommen. Für viele Fahrten über die völlig maroden Straßen braucht man heute die doppelte und dreifache Zeit wie noch vor 10 Jahren. Hinzu kommt eine wachsende Kriminalität. So ist Boko Haram zwar weitgehend besiegt. Die ehemaligen Kämpfer sind aber vielfach zu ordinären Kriminellen mutiert, die in Zusammenarbeit mit lokalen Unterstützern und man vermutet auch mit einigen Angehörigen der Sicherheitskräfte die Bevölkerung terrorisieren, vermögende Bauern entführen, um Lösegelder zu erpressen etc. Und die Zentralregierung ist handlungsunfähig und schaut mehr oder weniger tatenlos zu.

Schwelender Bürgerkrieg im anglophonen Westen und bröckelnde Infrastruktur

Aber es brennt auch in anderen Teilen Kameruns. Im anglophonen Teil schwelt weiter der Bürgerkrieg, auch hier agieren ehemalige Rebellen zunehmend als Kriminelle. Der aktuelle Konflikt wurde dadurch ausgelöst, dass die Zentralregierung, frankophone Richter in den anglophonen Teil des Landes geschickt hat, um dort auf Französisch und gemäß französischen Recht und nicht dem englischen Common Law Recht zu sprechen. Dass führte  zu einem Generalstreik aller anglophonen Mitarbeiter der Justiz, dem sich wenig später die anglophonen Lehrer anschlossen.  Der Konflikte eskalierte dann bis zu offenen bewaffneten Auseinandersetzungen. Zwar hat die Regierung am Schluss die französisch sprachigen Richter wieder abgezogen, aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Es bedürfte jetzt weiterer deutlicher Gesten seitens der Regierung, um den weiter schwelenden Konflikt zu beenden. Nach der Unabhängigkeit hatten sich die in Nordwesten lebenden anglophonen Kameruner (ehemals englische Kolonie) per Volksabstimmung für den Anschluss an Kamerun und gegen den Anschluss an Nigeria entschieden. Ihnen war damals allerdings eine weitgehende Autonomie versprochen worden, die später von der Zentralregierung immer weiter eingeschränkt wurde.

Und wer das zweifelhafte Vergnügen hat, sich mit dem PKW durch Yaounde zu bewegen – einen öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht – befindet sich morgens, mittags und abends im Dauerstau, verursacht durch metertiefe Schlaglöcher, die vielfach nur ein Fahren im Schritttempo ermöglichen. Zehntausende von qualifizierten Kamerunern haben ihr Land verlassen und sind überall in der Welt vielfach in Top-Positionen tätig, weil sie die Stagnation zu Hause einfach nicht aushalten.

Die Gesamtsituation schreit sozusagen nach einer Veränderung. Prominentester und populärster Oppositionskandidat ist Prof. Kamto aus dem Westen Kameruns. Seine Partei, die MRC, ist gut geführt und im ganzen Land verankert. Prof. Kamto hat als Vizejustizminister die Verhandlungen mit Nigeria um die Enklave Bakassy, die große Ölvorkommen hat, geführt und mit einem für Kamerun vorteilhaften Ergebnis abgeschlossen. Dennoch hat ihn das Biya-Regime später für 9 Monate inhaftiert, weil er zwischenzeitlich in die Opposition gewechselt war. Wie groß die Wechselstimmung ist, zeigt auch die Tatsachse, dass Kamto angabegemäß kürzlich in Paris 50.000 Diaspora-Kameruner zu einer großen Kundgebung vereinen konnte. Bei seiner Rückkehr nach Douala, musste die Regierung den Flughafen weiträumig absperren, um zu verhindern, dass Fernsehbildern zeigen, wie Kamto von begeisterten Anhängern empfangen wird.

Wie verhalten sich Frankreich und die USA?

Die große offene Frage ist nun, wie Frankreich aber auch die USA mit der Agonie des Biya-Regimes umgehen werden. In der kamerunischen Öffentlichkeit wurde mit Interesse vermerkt, dass der französische Botschafter den demissionierten Minister Issa Tchirouma empfangen und zugelassen hat, dass Bilder von diesem Treffen in der Öffentlichkeit zirkulierten. Und für Trump ist der Fall Kamerun auch nicht ganz ohne Interesse. Sein Vorgänger Biden hatte aufgrund des Bürgerkrieges, anglophonen Kamerunern sehr großzügig Visa für eine Übersiedlung in die USA gewährt. Das haben zehntausende Kameruner gerne wahrgenommen.  Trump mag deshalb ein Interesse an einer Beendigung des schwelenden Bürgerkrieges in West-Kamerun entwickeln. Das kann er aber nur mit einem neuen Präsidenten erreichen.

Nun wäre es nicht das erste Mal, dass Biya gegen eine starke Opposition seine Wiederwahl ggf. auch mit Wahlbetrug und Einsatz von Machtmitteln sicherstellt.  Aber, wie handlungsfähig ist er noch? Und genießt er noch die Unterstützung Frankreichs? Es ist nicht auszuschließen, dass hinter den Kulissen nach einem Kandidat gesucht wird, der einerseits glaubwürdig und qualifiziert ist, der aber andererseits einen geordneten Übergang mit gewissen Garantien für Biya und seinen Clan sicherstellen kann. Viele haben Angst, dass es im Kampf um die Nachfolge zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen kommen könnte. Geeignete Kandidaten, die ein friedlichen Machtwechsel ermöglichen könnten, gibt es. Die nächsten Monate in Kamerun werden spannend.

Titelbild: U.S. Secretary of State John Kerry greets Cameroon’s President Paul Biya before the start of the U.S.-Africa Leaders Summit Session One on “Investing in Africa’s Future,” at the U.S. Department of State for the final day of the U.S.-Africa Summit in Washington, D.C., on August 6, 2014. Quelle: State Department photo/ Public Domain

Autor

  • 70 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder und 4 Enkelkinder. Ich habe an der Universität Münster Volkswirtschaft studiert und anschließend den postgraduierten Kurs am deutschen Institut für Entwicklungspolitik (heute IDOS) absolviert.

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Götterdämmerung in Kamerun?

Roger Peltzer


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